Aktives und passives Wahlrecht – wer steht auf der Wählerliste?

Betriebsratswahl 2022 - Im Frühjahr ist es wieder soweit: In ganz Deutschland werden neue Betriebsräte gewählt. Dabei geben die Arbeitnehmer ihre Stimme für die Kandidaten oder die Liste ihrer Wahl ab – doch wer genau darf eigentlich bei einer Betriebsratswahl wählen? Und wer darf für den Betriebsrat kandidieren? Auf was müssen Sie als Wahlvorstand achten, wenn Sie die Wählerliste zusammenstellen? Diesen Fragen gehen wir in diesem Artikel auf den Grund.

Von enormer Bedeutung: Die Wählerliste

Damit die Arbeitnehmer erfahren, wer an der Wahl aktiv teilnehmen (aktives Wahlrecht) und wer sich als Kandidat aufstellen lassen darf (passives Wahlrecht), müssen Sie als Wahlvorstand gleichzeitig mit dem Wahlausschreiben eine sogenannte „Wählerliste" veröffentlichen. Das ist ein Verzeichnis, in dem alle wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgeführt werden. 

Nur wer auf dieser Wählerliste steht, darf später bei der Betriebsratswahl mitmachen. Jeder Arbeitnehmer darf dabei selbst kontrollieren, ob er richtig erfasst worden ist. Als Wahlvorstand müssen Sie die Wählerliste deshalb bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsicht auslegen. 

Hinweis:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Ihnen alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 2 Abs. 2 WO [Wahlordnung]). Weisen Sie ihn darauf hin und sagen Sie genau, was Sie wissen wollen.

Die passenden Formulare und Musterschreiben finden Sie unter downloads!

Fehler entdeckt? Einspruch!

Jeder Arbeitnehmer, der einen Fehler auf der Wählerliste entdeckt, kann innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand Einspruch einlegen. So kann das Verzeichnis ggf. noch korrigiert werden. Halten Sie als Wahlvorstand den Einspruch für begründet, so müssen Sie die Wählerliste entsprechend berichtigen. Ist die Einspruchsfrist abgelaufen, müssen Sie Einsprüche gegen die Wählerliste zurückweisen. 

Achtung:

Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem Sie die Wählerliste erstellt haben und dem ersten Tag der Wahl kann es zu Einstellungen oder Kündigungen kommen. Sie müssen also darauf achten, die Wählerliste laufend zu berichtigen oder zu ergänzen. 

Das aktive Wahlrecht – wer darf wählen?

Das aktive Wahlrecht, also die Regelung, wer im Sinne des Gesetzes als wahlberechtigter Arbeitnehmer zählt, ergibt sich aus § 7 Satz 1 BetrVG. Nur wer alle drei Voraussetzungen erfüllt, die dort aufgelistet sind, darf bei der Betriebsratswahl seine Stimme abgeben.

Wahlberechtigt sind demnach alle diejenigen, die:

  1. Arbeitnehmer sind,
  2. dem Betrieb angehören und
  3. das 16. Lebensjahr vollendet haben.

 1. Wer ist Arbeitnehmer?

Ob ein Arbeitnehmer in Voll- oder Teilzeit beschäftigt ist, spielt keine Rolle: Seine Stimme zählt! Zu den Arbeitnehmern zählen aber auch einige Personengruppen, an die Sie unter Umständen nicht sofort denken. Das sind z. B. Beamte, Soldaten oder Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die durch Abordnung, Überlassung oder Zuweisung in den Betrieb eines privatrechtlich organisierten Unternehmens eingegliedert sind. Außerdem gehören zu den Arbeitnehmern auch:

  • Azubis (wenn sie mindestens 16 Jahre alt sind)
  • in Heimarbeit Beschäftigte, sofern sie hauptsächlich für den Betrieb tätig sind
  • ABM-Kräfte
  • Teilzeitmitarbeiter
  • sog. Minijobber
  • befristet eingestellte Arbeitnehmer (wenn sie am Wahltag noch beschäftigt sind)
  • Aushilfskräfte und nebenberuflich Tätige
  • Arbeitnehmer, die auf Grund von Krankheit oder Urlaub zur Zeit der Wahl nicht arbeiten
  • Arbeitnehmer im Mutterschutz bzw. in der Erziehungszeit
  • Arbeitnehmer mit flexibler Arbeitszeit, auch Abrufarbeit
  • Außendienstmitarbeiter und Telearbeitnehmer
  • Arbeitnehmer in befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente
  • Mitarbeiter in Altersteilzeit während der aktiven Phase
  • Volontäre und Werkstudenten
  • Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

Lange war die Frage umstritten, ob Beschäftigte in sogenannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM-Kräfte) im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes wahlberechtigt sind. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bejaht und im Jahre 2004 (7 ABR 6/04) entschieden, dass auch ABM-Beschäftigte Arbeitnehmer sind und demgemäß ein aktives Wahlrecht besitzen.

Nicht wahlberechtigt sind dagegen

  • der Arbeitgeber: Geschäftsführer und Vorstände
  • leitende Angestellte
  • echte Selbstständige
  • 1-Euro-Jobber
  • Arbeitnehmer unter 16 Jahren
  • Mitarbeiter in Altersteilzeit während der passiven Phase (Freistellungsphase).

2. Wer ist Betriebsangehöriger?

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des konkreten Betriebs, nicht aber alle Arbeitnehmer aus allen Betrieben des Unternehmens oder gar des Konzerns. Es heißt ja schließlich Betriebsratswahl. Unselbstständige Betriebsteile wählen den Betriebsrat im Hauptbetrieb mit. Selbstständige Betriebsteile haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen eigenen Betriebsrat zu wählen. Die Frage, welche Betriebseinheiten zusammengefasst werden dürfen und welche jeweils eigene Betriebsräte wählen müssen, ist nicht immer einfach zu beantworten. Näheres hierzu erfahren Sie auf unseren Seminaren zur Betriebsratswahl. 

3. Das Mindestalter

Um wahlberechtigt zu sein, muss der Arbeitnehmer das 16. Lebensjahr vollendet haben. Maßgebender Zeitpunkt dafür ist nicht der offizielle Beginn des Wahlverfahrens, sondern der Tag der eigentlichen Betriebsratswahl. Das heißt, ein Arbeitnehmer, der am Tag der Stimmabgabe seinen 16. Geburtstag feiert, ist wahlberechtigt. Bei Betriebsratswahlen in größeren Betrieben, die sich über mehrere Tage hinweg erstrecken, ist der letzte Wahltag entscheidend.

Das passive Wahlrecht: Wer darf sich in den Betriebsrat wählen lassen?

Wählen und gewählt werden sind zwei verschiedene Dinge. Wer zum Betriebsrat gewählt werden kann und damit wählbarer Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes ist, ist in § 8 BetrVG geregelt. Wählbar ist danach, wer 

  • wahlberechtigt ist (s. o.)
  • das 18. Lebensjahr vollendet hat und 
  • mindestens sechs Monate dem Betrieb angehört. 

Maßgebend für die Berechnung der sechsmonatigen Betriebsangehörigkeit ist der Tag der Stimmabgabe. Wenn diese an mehreren Tagen erfolgt, ist der letzte Wahltag entscheidend. War der Arbeitnehmer unmittelbar vorher in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder Konzerns beschäftigt, so werden diese Zeiten auf die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit angerechnet.

Beachten Sie:

Zu diesem Sechs-Monats-Zeitraum zählen auch Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs. So kann z. B. ein Arbeitnehmer, der am Tag der Stimmabgabe seinen 18. Geburtstag feiert, davor aber bereits ein Jahr im Betrieb beschäftigt war, zum Betriebsrat gewählt werden. 

Wählbar sind z. B. auch

  • Azubis (wenn sie die anderen Voraussetzungen erfüllen und in einem „echten“ Produktions- oder Dienstleistungsbetrieb – und nicht nur in einer außerbetrieblichen Berufsbildungseinrichtung – beschäftigt werden)
  • Heimarbeiter (in dem Betrieb, für den sie in der Hauptsache arbeiten)
  • Teilzeitkräfte
  • Arbeitnehmer im Mutterschutz bzw. in der Erziehungszeit.
  • Nicht wählbar sind hingegen Leiharbeitnehmer. Für Fälle der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (sog. unechte Leiharbeitnehmer) nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist das ausdrücklich in § 14 Absatz 2 Satz 1 AÜG geregelt. Für die sog. echten Leiharbeitnehmer (Arbeitnehmer, die überwiegend von ihrem eigentlichen Arbeitgeber beschäftigt werden und nur vorübergehend an ein anderes Unternehmen „entliehen“ werden) fehlt eine entsprechende gesetzliche Regelung. Hier hat jedoch das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass auch die sog. echten Leiharbeitnehmer nicht in den Betriebsrat des entleihenden Betriebs gewählt werden können, sie mithin nicht passiv wahlberechtigt sind (BAG, 13.10.2004 - 7 ABR 6/04).

Sonderfall: Leitende Angestellte

Um die Wählerliste zu erstellen, müssen Sie als Wahlvorstand viele verschiedene Beschäftigungsgruppen auseinanderhalten. Besonders schwierig ist dabei oft die Einordnung der „leitenden Angestellten“. Das Gesetz sagt in § 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG, was es unter den leitenden Angestellten versteht, gibt dabei aber keine echte Definition. 

In der Praxis unterscheiden sich die leitenden Angestellten von den übrigen Arbeitnehmern dadurch, dass sie im Unternehmen typische Unternehmeraufgaben mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahrnehmen. So nehmen sie im Betrieb z. B. auch Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern vor oder haben als Prokurist eine handelsrechtliche Vollmacht. Durch diese Funktionen stehen sie dem Arbeitgeber näher als den „normalen“ Arbeitnehmern.

Deshalb sind die leitenden Angestellten bei der Betriebsratswahl nicht wahlberechtigt. Ebenso werden sie bei den Schwellenwerten für die Zahl der Betriebsratsmitglieder (nach § 9 BetrVG) und die Anzahl der freizustellenden Betriebsräte (§ 38 BetrVG) nicht mitgezählt. Allerdings wird eine Betriebsratswahl nicht automatisch ungültig, wenn ein leitender Angestellter an ihr teilnimmt. Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass die Beteiligung der leitenden Angestellten das Ergebnis der Wahlen beeinflusst hat, ist eine Wahl ungültig.

Die leitenden Angestellten sind durch den Ausschluss von der Betriebsratswahl übrigens nicht rechtlos. Sie wählen vielmehr ihre eigene Interessenvertretung, den „Sprecherausschuss“. Meist werden in einem Betrieb Betriebsrat und Sprecherausschuss etwa zur selben Zeit gewählt. Damit klar ist, welche Kollegen an der Wahl des Betriebsrats bzw. des Sprecherausschusses teilnehmen, müssen sich die Wahlvorstände beider Gremien im Vorfeld darüber verständigen, wer in der Belegschaft als leitender Angestellter eingestuft wird. In der Praxis ist dies nicht immer ganz einfach zu beurteilen. Wie Sie dabei vorgehen müssen, ist in § 18 a BetrVG im Einzelnen geregelt.

Fazit:

Aus Gründen der Rechtssicherheit kann es sinnvoll sein, den Status einzelner Angestellter im Vorfeld der Betriebsratswahl vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen – insbesondere in den Fällen, in denen das Zuordnungsverfahren nicht zur Anwendung kommt. Denn durch eine für alle Beteiligten verbindliche Statusfeststellung können unnötige und kostenintensive Streitigkeiten – nicht nur bezüglich der Betriebsratswahl – vermieden werden.

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