Eine vom Wahlvorstand willkürlich erstellte Wählerliste führt zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl

Wenn ein Wahlvorstand bei einer Betriebsratswahl offensichtlich ungeeignete, unvollständige Informationen unklarer Herkunft in eine Wählerliste übernimmt, ohne diese vorher zu überprüfen, liegt ein schwerer Verstoß gegen Wahlvorschriften vor, der zur Nichtigkeit der Wahl führt.


Das ist passiert:

Ein vom Betriebsrat ordnungsgemäß bestellter Wahlvorstand forderte seine Arbeitgeberin auf, ihm zur Erstellung einer Wählerliste Informationen über die an verschiedenen Standorten beschäftigten Mitarbeiter zu geben. Die Arbeitgeberin kam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin erstellte der Wahlausschuss aus einer im Betrieb kursierenden Telefonliste eine Wählerliste. Über die Herkunft und die Datierung dieser Telefonliste war nichts bekannt. Ob Versuche unternommen wurden, die Richtigkeit der Telefonliste zu überprüfen, konnte nachträglich nicht mehr nachvollzogen werden. Der Wahlvorstand erstellte ein Wahlausschreiben und leitete die Betriebsratswahl ein. Auf der dem Aushang des Wahlausschreibens beigefügten Wählerliste waren Arbeitnehmer als wahlberechtigt aufgeführt, die nicht mehr im Betrieb beschäftigt waren. Vier Tage nach dem Abschluss des Wahlverfahrens machte die Arbeitgeberin vor Gericht die Unwirksamkeit der Wahl geltend.
Das Arbeitsgericht wies den Antrag der Arbeitgeberin zurück (Arbeitsgericht Erfurt, Beschluss vom 13.03.2019 – 3 BV 51/18). Das Gericht hielt die Wahl für gültig, da die Arbeitgeberin die Problematik selbst verursacht habe, indem sie keine Auskunft über die beschäftigten Arbeitgeber gegeben habe. Sie könne sich deshalb nicht auf die falsche Wählerliste berufen. Die Arbeitgeberin legte Beschwerde ein.

Das sagt das Gericht:

Das Landesarbeitsgericht änderte den Beschluss im Rechtsbeschwerdeverfahren ab und erklärte die Wahl für nichtig.
Zwar sei die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl nur in sehr seltenen Ausnahmefällen anzunehmen, nämlich dann, wenn gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden sei, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliege. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine solche Ausnahme. Der Wahlvorstand habe durch sein Verhalten nicht den Willen erkennen lassen, überhaupt eine ordnungsgemäße Wahl durchführen zu wollen. Er habe aufgrund offensichtlich erkennbar ungeeigneter Informationen, einer Telefonliste, die Wählerliste erstellt und sich bei der Auswahl der Personen, die in die Wählerliste aufzunehmen sind, nicht ansatzweise erkennbar darum bemüht zu überprüfen, dass die aufgeführten Personen auch tatsächlich wahlberechtigt waren. Damit habe er im Ergebnis eine nicht ansatzweise den Anforderungen entsprechende und offensichtlich ungeeignete, grob fehlerhafte Wählerliste erstellt.

Landesarbeitsgericht Thüringen, Beschluss vom 24.06.2020 – 4 TaBV 12/19